Carlos Ruiz Zafón – Marina

25 04 2011

„Wir alle haben im Dachgeschoss der Seele ein Geheimnis unter Verschluss. Das hier ist das meine.“ So beginnt Óscar Drai seine Erzählung. Der junge Held des Romans sehnt sich danach, am Leben Barcelonas teilzuhaben, und streift am liebsten durch die verwunschenen Villenviertel der Stadt. Eines Tages trifft er auf ein faszinierendes Mädchen. Sie heißt Marina, und sie wird sein Leben für immer verändern.
Gemeinsam werden die beiden in das düstere Geheimnis um den ehemals reichsten Mann Barcelonas gesogen. Schmerz und Trauer, Wut und Größenwahn reißen sie mit sich, eine höllische Verbindung von vernichtender Kraft. Aber auch Marina umgibt ein Geheimnis. Als Óscar schließlich dahinterkommt, ist es das jähe Ende seiner Jugend. (Klappentext)

Wieder ein Zafón Roman, wieder bin ich hin und weg. Es ist jedes Mal aufs Neue faszinierend, wie liebevoll und bis ins kleinste Detail Zafón „sein Barcelona“ beschreibt. Jetzt, nach dem Lesen, kann ich sehr gut verstehen, warum Marina einer der „Lieblinge“ des Autors ist. Ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, das dieser Roman autobiografische Züge enthält, wie Zafón bereits in seinem Vorwort verlauten lässt („ein ehrgeizigerer und auch persönlicherer Roman, in dem ich zum ersten Mal den Schauplatz meines Barcelonas und meiner eigenen Erinnerung erkunden würde“).

Ich finde daher, dass man „Marina“ und mit den Folgeromanen, wie z.B. „Der Schatten des Windes“ nur schwer vergleichen kann, spielen sie doch auf einer ganz anderen emotionalen Ebene des Autors, obwohl sie sich vom Inhalt her ähneln.

Jedenfalls war ich wieder einmal begeistert, dieser Roman ist wieder einmal absolut einzigartig, philosophisch, romantisch, charismatisch, verträumt, durchweg auch ein wenig gruselig, traurig, und regt auf jeden Fall zum nachdenken an. Es gibt wenige Bücher, die alle diese Eigenschaften in sich vereinen. Was will man als Leser mehr?

Dieser Roman ist absolut empfehlenswert, er entführt die Leser in die Welt des Autors und erzählt uns seine Geschichte.

5 von 5 Sternen





Rebecca James – Die Wahrheit über Alice

20 12 2010

Ein dunkles Geheimnis.
Ein zerstörtes Leben.
Eine neue Freundin, die dir hilft zu vergessen.
Aber was, wenn sie nicht ist, was sie zu sein scheint?

Als Alice sie zu ihrer Geburtstagsparty einlädt, ist Katherine mehr als überrascht. Die schöne, strahlende Alice, das beliebteste Mädchen der Schule, will mit ihr feiern? Dabei ist Katherine eine Einzelgängerin, die sich von allen fern hält, damit keiner ihr Geheimnis erfährt: Niemand soll wissen, was mit Rachel, ihrer kleinen, talentierten Schwester, passiert ist. Vor Katherines Augen, die nichts tun konnte, um ihr zu helfen. Katherine erlebt die Party wie im Rausch, Alice weicht nicht mehr von ihrer Seite. Doch nach und nach wird Alice immer merkwürdiger. Selbstsüchtiger. Grausamer. Bald entdeckt Katherine, dass ihre neue Freundin nach eigenen Regeln spielt…

 

 

 

In „Die Wahrheit über Alice“ erzählt Rebecca James die Geschichte von Katherine, die auf der Flucht vor ihrer eigenen Vergangenheit auf Alice trifft. Die beiden werden beste Freundinnen, doch schon bald beginnt das Bild zu bröckeln und Alice zeigt ihr wahres Gesicht. Was es mit dieser Boshaftigkeit auf sich hat, wird dem Leser erst zum Schluss erklärt, auch wenn ich es mir schon viel früher denken konnte.

 

Insgesamt spielt die Handlung in drei Zeitzonen, in denen abwechselnd von Katies Vergangenheit und Gegenwart erzählt wird. Langsam setzt sich dadurch das Bild zusammen, der Leser erfährt was in jener verhängnisvollen Nacht Katies und ihrer Schwester Rachel passiert ist.

 

Die Sprache ist relativ einfach gehalten, ich habe das Buch flüssig an einem Nachmittag lesen können. Und genau ist auch für mich der Haken. Mir war die ganze Geschichte dann doch etwas zu durchsichtig, ich konnte mir schon nach etwa der Hälfte des Buches denken, worauf das Ganze hinauslaufen wird.

 

Nichts desto trotz ist „Die Wahrheit über Alice“ eine nette Geschichte, die man gut zwischendurch lesen kann.

 

2,5 von 5 Sternen





Michael Tietz – Rattentanz

10 05 2010

Wellendingen, ein idyllisches Dorf im Südschwarzwald: Hans Seger ist beruflich in Schweden unterwegs, seine Frau Eva hat Frühdienst im Donaueschinger Krankenhaus. Ihre Tochter, die siebenjährige Lea, ist bei Nachbarn. Eigentlich scheint alles in bester Ordnung … bis am Morgen des 23. Mai plötzlich der Strom ausfällt. Der Verkehr bricht zusammen, Telefone und Computer stehen still, Kühlschränke verweigern ihren Dienst, Supermarkttüren öffnen sich nicht mehr. Der wirksamste Computervirus, der je ersonnen wurde, schleudert die Welt zurück ins tiefste Mittelalter. Als der erste Jumbojet vom Himmel fällt, dämmert der Dorfgemeinschaft, dass nichts mehr so sein wird wie es einmal war …
Innerhalb weniger Stunden zerbricht das so stabil erschienene Gerüst unserer modernen Gesellschaft. Jeder ist sich plötzlich selbst der Nächste. Eine Schlacht bahnt sich an, in der alle bisherigen Werte nicht mehr zählen. Für Eva und Hans Seger beginnt ein Überlebenskampf, auf den sie niemand vorbereitet hatte. Alles andere wird unwichtig, tritt hinter dem einen Ziel zurück: Heimkehr nach Wellendingen, zu ihrer Tochter Lea. Der Weg nach Hause entpuppt sich sowohl für Eva als auch für Hans als Trip durch die Hölle…

Die ersten Worte, die mir zu diesem Buch einfallen: Wow, was für eine Geschichte! Ich bin tief beeindruckt vom Michael Tietz Erstlingswerk, auf der anderen Seite aber auch zutiefst erschrocken. Allein die Vorstellung dieses Szenarios, das geschildert wird, löst blankes entsetzen in mir aus. Denn die gesellschaftlichen Grundwerte, wie wir sie kennen, sind nach der Katastrophe außer Kraft gesetzt, die Bevölkerung fällt zurück in einen Zustand archaischer Grundtendenzen. Angst, Rücksichtslosigkeit, Gewalt, Hunger und Mord dominieren nun in dieser neuen Gesellschaft. „Du bist allein auf dich gestellt, niemand wird dir helfen“ sind nun die vorherrschenden Gedanken. Jeder denkt nur noch ans eigene Überleben.

In der ersten Hälfte des Buches waren mir die Brutalitäten zu extrem, was aber allein dadurch zustande kommt, dass Tietz bis ins kleinste Detail die Veränderungen der Menschen und der Umwelt protokolliert. Die zweite Hälfte des Buches, als sich die Situation so langsam wieder beruhigt und sich eine neue Ordnung bildet, hat mir daher um einiges besser gefallen.

Man merkt diesen Wandel auch an den Hauptcharakteren, von denen es einige gibt, denn das ganze Buch ist in mehrere Handlungsstränge geteilt, die zum Ende hin zusammengeführt werden. Am Anfang merkt man den Personen den tief sitzenden Schock über das Geschehene deutlich an, aber auch die Hoffnung darauf, dass bald alles ist wie vorher. Schnell wird jedoch klar, das die Normalität, die sie bisher kannten, nie wieder zurück kehren wird. Bei einigen schlägt diese Erkenntnis in Resignation um, bei anderen wiederum in die Energie eine neue Gesellschaftsordnung aufzubauen. Alles in allem fand ich die Charaktere des Buches sehr gelungen, auf den über 840 Seiten hat der Leser genug Zeit jede Person gut kennenzulernen. Einzig die Figur des Thomas Bachmann fand ich ziemlich nervig. Das ewige hin und her der Stimmen in seinen Kopf konnte ich irgendwann nicht mehr ertragen.

Alles in allem ein wirklich gelungenes Buch, dass mir persönlich von der Geschichte her noch besser gefallen hat als Kings „Puls. Auf jeden Fall regt das Buch zum nachdenken an, denn diese nicht ganz abwegige neue Realität ist extrem erschrecken. Trotz der kleinen Mankos, die ich oben genannt habe, gebe ich volle Punktzahl: 5 von 5 Sternen

Verlag: Ullstein
848 Seiten
ISBN-10: 3937357378
ISBN-13: 9783937357379





Stephen King – Puls

24 04 2010

Stephen King besitzt kein Handy. Denn Stephen King mag keine Handys. Das wird einem beim Lesen ziemlich schnell klar. In Puls, dem wieder einmal extrem spannenden Horror-Thriller des amerikanischen Großmeisters, entpuppen sich die kleinen, praktischen Lieblingsspielzeuge des modernen Menschen als teuflische Werkzeuge der Apokalypse. Gut und Böse, Gesundheit und Wahnsinn, sind dabei klar zugeordnet — das Benutzen eines Handys stürzt jeden einzelnen ins Verderben.
Dabei sah es für Clayton Riddell, den sympathischen Helden dieses Romans, zunächst so aus, als sollte sich nach einigen schweren Jahren endlich das Blatt wenden. Gerade hat der bisher erfolglose (und daher handylose) Comiczeichner bei einem Geschäftstermin in Boston seine ersten Geschichten verkauft und brennt darauf, seiner Familie davon zu berichten. Da bricht um ihn herum der Wahnsinn los. Ein Teenager beißt der Frau neben sich in die Gurgel, ein wirr dreinblickender Mann rennt mit einem Fleischermesser auf Clay zu, Autos kollidieren, Menschen springen aus Hochhäusern, ein Inferno unerklärlicher Gewalt wälzt sich über die Stadt.
Doch Clay und seine Gefährten, der feinsinnige Tom und die junge, hübsche Alice, kommen dem Rätsel schnell auf die Spur. Über die Handys scheint eine Art „Puls“ gesendet worden zu sein. Jeder, der ein Handy ans Ohr nimmt, wird auf der Stelle seiner Menschlichkeit beraubt. Und nun herrscht Krieg zwischen „Normalos“ und „Handy-Verrückten“. Clay indessen wird nur noch von der Sorge um seine Frau und seinen Sohn Johnny beherrscht. Gemeinsam mit Tom und Alice macht er sich auf die Suche … (amazon)

Mein erster King Roman seit Jahren! Ich bin mit gemischten Gefühlen ans Lesen gegangen, bisher hab ich mit King immer durchwachsene Erfahrungen gemacht.
Dieser war wieder einer der guten King Romane, auch wenn er sich nicht die Richtung entwickelt hat, wie ich es mir beim Lesen des Klappentextes vorgestellt habe.
Ich denke das eigentliche Problem war, das ich mit heftig gruseligen und übertriebenen Szenen gerechnet habe. Nun übertrieben waren zwar einige Dinge (die ganze Geschichte an sich ist überzogen), aber die gruselige Atmosphäre hat King nicht wie in einem schlechten Horrorfilm mit blutrünstigen Zombies erzeugt, sondern durch eine nüchterne Denkweise der Protagonisten. Im Verlauf der Geschichte werden Schusswaffen lebensnotwendig, ohne mit der Wimper zu zucken attackieren die Protagonisten einen „Schwarm“ der Handy-Verrückten. Und genau das ist das eigentlich erschreckende und gruselige. Denn die Welt, wie wir sie kennen existiert nicht mehr, unsere Ethik und Moral erst recht nicht.
Das Ende hält King bewusst offen, und genau das ist auch gut so. Ich habe mich beim lesen öfter gefragt, wie King das ganze Chaos auflösen will, hatte erwartet, dass der Leser zumindest erfährt, wer hinter dem „Puls“ steckt. Doch wie gesagt, gibt King darüber keinen Aufschluss. Stattdessen wirft jede Seite des Buches neue Fragen auf, man entwickelt seine eigenen Theorien.

Und genau diese Art den Leser ins Geschehen einzubinden, macht es so spannend, dass Buch zu lesen. Auf jeden Fall ist „Puls“ eines der lesenswerteren King Bücher, dem ich immerhin doch 4 von 5 Sternen gebe.

Verlag: Heyne
576 Seiten
ISBN-10: 3453565096
ISBN-13: 9783453565098





Jodi Picoult – Neunzehn Minuten

1 11 2009

41IUt3YU1AL._SS500_Lacy Houghton hat es eilig. Soeben hat sie erfahren, dass es an der High School ihres Sohnes Peter im beschaulichen Sterling in New Hampshire ein Massaker gegeben haben soll. Ein Amokläufer hat zehn Schülerinnen und Schüler in den Tod gerissen. Jetzt will Lacy wissen, ob Peter eines der Opfer ist. Als ein Mädchen seinen Namen nennt, fragt sie, wo sie Peter Houghton finden kann. Und das Mädchen antwortet: „Er ist der, der schießt“. Für Lacy Houghton bricht eine Welt zusammen. Ebenso wie für den Rest des Ortes — und für Josie Cormier, die die Bluttat im Unterschied zu ihrem Freund Matt überlebt hat. In der Kindheit hat Josie die schützende Hand über Peter gehalten, wenn er in der Vorschule wieder einmal von seinen Kameraden gepiesackt wurde. Sie wäre eine perfekte Zeugin. Aber sie kann sich, wie sie sagt, an nichts erinnern… (Amazon)

Dies ist mein zweiter Picoult Roman gewesen. Und wieder ein sehr gelungenes Buch zu einem diskussionsträchtigem Thema: ein Amoklauf an einer US-amerikanischen Highschool. Das Buch beginnt direkt im „Massaker“. Die Kapitel wechseln ständig zwischen Gegenwart und Vergangenheit, sodass der Leser nach und nach die einzelnen Charaktere und deren Vergangenheit näher kennen lernt. Durch diesen Schreibstil sind die Charaktere wunderbar gezeichnet, ich konnte mich gut in ihre Situation hineinversetzen.
Ergreifend ist auch die Art, wie Picoult sowohl das Leid der Eltern verstorbener Kinder zeichnet, auf der anderen Seite aber auch das Leid, das Peter Houghton sein Leben lang erdulden musste. Ich war oftmals doch sehr ergriffen und wütend darüber, dass Peter so schlimm gemobbt wurde. Eine Entschuldigung für seine Tat ist dies natürlich keinesfalls. So war dann auch das Ende, was Peter betrifft, für mich nicht überraschend.
Außerdem ist Josie Cormier, Tochter der lokalen Richterin Alex Cormier, eine Hauptperson. Sie ist seit Kindestagen Peters einzige Freundin gewesen, hat sich später in der Highschool aber von ihm abgewandt. Warum also verschont Peter sie? Die Antwort auf diese Frage erhält der Leser erst im letzen Kapitel. Ein aufmerksamer Leser kann sich aber einige Aspekte über Josie bereits vorher zusammenreimen.

Last but not least wird natürlich auch die Familie von Peter beschrieben. Dabei legt Picoult besonderen Fokus auf Peters Mutter Lacy, die absolut fassungslos angesichts der Tat ihres Sohnes ist und sich selbst die Schuld an dieser gibt. Ihre Charakterdarstellung hat mich besonders überzeugt und an vielen Stellen gerührt. Ich wünsche keiner Mutter die Situation, in der sie steckt.

Alles in allem ein absolut empfehlenswertes Buch, mit Charakteren, die überzeugen, einer Thematik, die zum nachdenken anregt, und Spannung bis zur letzten Seite!

5/5 Sternen

Verlag: Piper
480 Seiten
ISBN-10: 3492050808
ISBN-13: 9783492050807